Wie immer bei kurzen und "knackigen" Behauptungen, lohnt sich ein ein zweiter Blick auf die Mitgliederzahl.
Die DGB-Gewerkschaften geben ihre Zahlen online transparent pro Jahr an. Im Gegensatz zu anderen Gewerkschaften, deren letzte Zahl von 2013 laut Google zu finden ist [Quelle] und erst dann wieder zum Tarifkonflikt 2021. Mehr dazu unterhalb. Vergleicht man die beiden Zeiträume 2013 und 2020 beider Gewerkschaften, ergibt sich folgendes Bild:
Die EVG hatte im Jahr 2013 209.000 Mitglieder, davon 106.000 aktive Mitglieder (davon 25.000 Beamte). Der Rest sind Pensionäre und Senioren [Quelle]. Dieser Anteil ist deshalb besonders hoch, da die DB zum Zeitpunkt der Privatisierung 1994 noch erheblich mehr Mitarbeitende hatte als heute, da für die Börsenpläne 2008 viel Personal abgebaut oder überflüssig wurde und die Bundesbahn allgemein viele Beamte hatte, die dann natürlich in der Pension in der Gewerkschaft geblieben sind. Im Jahr 2020 hatte die EVG 184.00 Mitglieder, davon 102.000 aktive (davon 14.000 Beamte). Betrachtet man nur Tarifkräfte ohne Beamte, konnte die EVG im Vergleichszeitraum 8000 Tarifkräfte hinzugewinnen [Quelle].
Die GDL hatte 2013 34.000 Mitglieder. Für das Jahr 2021 gibt sie verschiedene Zahlen an: In einem Interview von März 2021 wird von 35.000 Mitgliedern gesprochen [Quelle]. Oder rechnerisch ausgedrückt: Innerhalb von 8 Jahren konnten nur 1000 Mitglieder Brutto mehr gewonnen werden. Dann wiederum wird von 38.000 Mitgliedern gesprochen im Laufe des Jahres 2021 [Quelle]. Die GDL spricht auch davon, dass nur 15% der neuen Mitglieder von der EVG wechseln [Quelle] . Dies ist zu beachten, wenn man die Zahlen der EVG (mit Beamten) von 2013 (106.000) mit 2020 (102.000) vergleicht und meint, die fehlenden 4000 seien komplett zur GDL gewechselt.
Mit Ende 2021 konnte die EVG außerdem um 6000 Angestellte Netto wachsen (Brutto gesamt um 2000, nach Verstorbenen oder sonstigen Austritten). Ein genauer Überblick bietet das Diagramm unterhalb.
Da wirkt es schon etwas an der Realität vorbei, wenn Herr Claus Weselsky mal wieder einen angeblichen Mitgliederschwund bei der EVG beschreibt, wenn es seit 2016 einen stetigen Mitgliederzuwachs gibt:
Ich habe mehr Mitglieder, die anderen haben weniger. [...] Die EVG verliert Mitglieder, und das hilft mir beim Zählen.
-- Claus Weselsky
März 2021, tagesspiegel.de
Quellen Mitgliederzahl:
Weitere Unterstellungen
Die GDL-Ortsgruppe Heidelberg schließt in ihrem facebook-Beitrag völlige falsche Vergleiche von "neue Mitglieder" zur Gesamtmitgliederanzahl und schreibt im Bild 1/2 des Beitrags "Lügner haben kurze Beine".
Sie verweist auf den EVG-Artikel "Rekordzuwachs: Wir begrüßen insgesamt 14.601 neue Mitglieder in 2021" in dem 14.601 neue Mitglieder begrüßt werden. Hier handelt es sich aber eindeutig einfach nur im Mitglieder, die beigetreten sind und nicht um eine Erhöhung der Mitgliederanzahl. Dies erschließt sich schon aus dem unmittelbar darauffolgenden Satz im Titel
[...], damit wächst die Gewerkschaft auch absolut
evg-online.org
Die absolute Zahl wird hier jedoch nicht genannt seitens EVG (findet sich jedoch wie mehrfach erwähnt, transparent auf der DGB-Seite).
Die GDL-Heidelberg setzt aber die 14.000 neuen Mitglieder mit einer Erhöhung der Gesamtzahl (Brutto) gleich und zeigt eine Grafik bei der die Gesamtzahl von 2020 zu 2021 nur um 2000 erhöht ist. Diese Zahlen finden sich auch in obiger Grafik wieder und sind korrekt. Eine weitergehende Überlegung, dass "neue Mitglieder" nicht gleichzusetzen ist mit einer Gesamterhöhung hat nicht stattgefunden. Auch ein Blick auf die tatsächliche Erhöhung der Angestellten um 6000 (siehe oben) hat nicht stattgefunden.